Wie kommt es, dass Covid-19 für einige wie eine harmlose Erkältung verläuft, während andere wochenlang mit den Folgen der Krankheit auf der Intensivstation kämpfen? Einen möglichen Faktor für schwere Verläufe haben nun Forschende der Berliner Charité und des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin entdeckt. Schuld ist ein bestimmter Botenstoff, der das Immunsystem hemmt.
Bei schweren Covid-Verläufen wird der Botenstoff TGFβ zu früh gebildet. Normalerweise kommt er zum Ende einer Infektion zum Einsatz und befiehlt dem Immunsystem seine Aktionen zurückzufahren. Bei schweren Covid-Verläufen ist das Timing jedoch falsch: Weil das Immunsystem zunächst zu stark auf das Virus reagiert, reguliert der Körper gegen und schüttet den Botenstoff schon in der ersten Woche der Infektion aus. Damit wird die erste Abwehr durch sogenannte Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) gehemmt und das Virus kann sich unkontrolliert ausbreiten bis der zweite Schritt der Immunreaktion einsetzt, in dem spezifische T-Zellen und Antikörper gegen den Erreger eingesetzt werden.
Was bedeutet das für mögliche Therapien und Medikamente gegen Corona?
Im ersten Moment scheinen diese Erkenntnisse wenig hilfreich. Zumindest beantworten sie uns nicht die Frage, ob wir nun ein Risiko für einen schweren Verlauf haben oder nicht. Für die Wissenschaft sind sie jedoch sehr wertvoll, liefern sie doch neue Ansätze für Therapien und Medikamente gegen Covid-19. Die Forschenden der Studie gehen davon aus, dass durch eine frühzeitige Hemmung des Botenstoffs TGFβ schwere Verläufe verhindert werden können. Hierzu kämen bereits einige Wirkstoffe in Frage, die ursprünglich gegen Krebs oder Rheuma entwickelt wurden. Erste klinische Studien dazu würden bereits durchgeführt.
Zudem sieht Andreas Diefenbach, Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Infektionsimmunologie der Charité und korrespondierender Leiter der Studie noch eine weitere Möglichkeit zur Therapie: „Möglicherweise könnte man die NK-Zellen im Körper gezielt aktivieren, um sie wieder in die Lage zu versetzen, Sars-CoV-2-infizierte Zellen unschädlich zu machen. Dazu werden wir jetzt untersuchen, wie genau die Immunzellen ihre Zielzellen erkennen und beseitigen.“
Durch eine Impfung stehen dem Körper direkt spezifische T-Zellen und Antikörper zur Bekämpfung des Virus zur Verfügung. Sie ist deshalb weiterhin ein wichtiger Schutz. Viele Nebenwirkungen vor denen sich Menschen fürchten, beruhen dabei auf Mythen. Wir klären die drei wichtigsten auf:
So bekämpft das natürliche Immunsystem Coronaviren
Die Beobachtungen der Wissenschaftler*innen sind auch interessant, weil sie zeigen, wie das natürliche Immunsystem bei den meisten Menschen gegen Covid-19 vorgeht. „Vermutlich ist das angeborene Immunsystem bei den meisten COVID-19-Betroffenen in der Lage, das Virus schon kurz nach der Infektion zurückzudrängen“, erklärt Andreas Diefenbach. Dringt das Virus in den Körper ein, werden die NK-Zellen aktiviert und töten infizierte Zellen ab. Im Labor untersuchten die Forschenden NK-Zellen von gesunden Menschen und solchen mit starken und schwachen Corona-Verläufen. Die NK-Zellen konnten dabei mit Sars-CoV-2 infizierte Lungenzellen erkennen und abtöten. „NK-Zellen helfen also bei der Bekämpfung von SARS-CoV-2 mit“, erklärt Mario Witkowski, Erstautor der Studie. „Allerdings waren Zellen, die wir schwer betroffenen Personen entnahmen, im Labor viel weniger gegen das Virus wirksam als Zellen von Menschen mit nur schwachen Symptomen.“
Neben dem Botenstoff spielen auch weitere gesundheitliche Faktoren eine wichtige Rolle für den Krankheitsverlauf:
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