Erst kürzlich haben uns schon die Schauspielbrüder Liam und Chris Hemsworth mit ihren lackierten Fingernägeln überrascht. Während es hier noch um eine Spendenaktion gegen Kindesmissbrauch ging und die bunten Nägel bewusst provozieren sollten, greifen inzwischen auch immer mehr Männer aus Beautygründen zu Kajal, Foundation und Puderpinsel. Der Markt für männliche Kosmetikprodukte boomt und die amerikanische Beautymarke Covergirl hat nun sogar ihre erste Kampagne mit einem männlichen Youtuber gestartet. Ein Trend, der auch hierzulande um sich greifen wird? Wir sind der Frage nachgegangen, warum Männer, die Make-up tragen, all diesen Entwicklungen zum Trotz noch immer auf Widerstände stoßen.
Als Frau ist es völlig selbstverständlich, Make-up zu tragen. Die meisten von uns fangen bereits in der Pubertät oder sogar schon früher damit an, gar nicht mehr ungeschminkt aus dem Haus zu gehen. Für Männer hingegen wird das Frisieren der Haare und das Zupfen von Augenbrauen gesellschaftlich anerkannt, das Tragen von Make-up erzeugt hingegen immer noch großes Aufsehen. Dabei ist es doch irgendwie unfair: Wenn wir Frauen kleine Makel wie dunkle Augenringe oder Hautunreinheiten verschwinden lassen wollen, greifen wir ganz selbstverständlich zum Concealer. Immer mehr Männer verlangt es inzwischen ebenso nach einer makellosen Haut und vielleicht sogar einem auffälligen Augen-Make-up. Wir zeigen Dir, welche berühmten männlichen Promis sich schon seit vielen Jahren selbstbewusst geschminkt zeigen, wie Make-up speziell für Männer vermarktet wird und welche männlichen Beauty-Youtuber derzeit für Furore sorgen.
Nichts Neues: Männer, die gerne Make-up tragen
Noch sieht man im Alltag hierzulande kaum Männer, die Make-up tragen. Während in Südkorea der Markt für Schminke für den Mann boomt und die Herren dort ganz ungeniert zu Mascara und Kajal greifen, kennen wir den Anblick von geschminkten Männern doch eher aus dem Showgeschäft. Und dort sind die geschminkten Herren wirklich keine Neuerscheinung. Besonders in den 80er Jahren waren Musiker wie Boy George oder David Bowie für ihre auffälligen Looks mit konturierten Wangen und glamourösem Augen-Make-up bekannt. Bewusst kokettierten diese Künstler mit einem eher androgynen Look. Diese Tradition wird auch von zeitgenössischen Musikern fortgetragen. Ob nun Brian Molko von Placebo, Ville Valo von HIM, Pete Wentz von Fall Out Boy, Jared Leto von 30 Seconds to Mars oder Billie Joe Armstrong von Green Day: Sie alle vereint die Liebe zum schwarzen Kajal.
Manche der Herren sieht man sogar nur höchst selten ungeschminkt. Musiker wie Marilyn Manson, Alice Cooper, Robert Smith oder Ozzy Osbourne sind ohne ihr typisches Make-up kaum wiederzuerkennen. Auffällig ist jedoch, dass Männer mit Make-up vorrangig in der Punk-, Emo- und Gothicszene zu finden sind. Doch auch Popmusiker wie der American Idol-Star Adam Lambert tragen gerne Make-up und gehen damit auch sehr selbstbewusst um. Der Sänger, der wegen seiner Liebe zu Glitzerlidschatten auch „Glambert" getauft wurde, sieht seinen Look als eine Hommage an Vorreiter des männlichen Make-up-Looks wie Michael Jackson und Boy George und möchte dazu beitragen, dass geschminkte Männer als Selbstverständlichkeit angesehen werden.
Spezial-Make-up für Männer: Ist das wirklich nötig?
Wenn man sich mal die Kampagnen von Make-up-Firmen näher ansieht, wird man dort eigentlich nur Frauen entdecken. Noch wird Make-up höchst selten direkt an Männer vermarktet. Wenn Kosmetik für Herren beworben wird, dann fällt auf, dass dieses möglichst unsichtbar sein soll. Der pflegende Lippenbalsam sollte bloß nicht glänzen und die Gesichtscreme hat auch keine Glimmerpartikel, wie so manche BB-Cream für Frauen. Dabei ist dies natürlich keine natürliche Begebenheit, sondern schlichtweg eine gesellschaftliche Konstruktion: Wenn Männer Pflegeprodukte benutzen, soll dies möglichst unauffällig geschehen. Schminke für den Mann hat es da nicht gerade leicht. Mittlerweile gibt es aber auch kleine Beautymarken wie etwa „Enter Pronoun" aus den USA, die mit ihren Unisex-Produkten auch Männer ansprechen wollen. Da fragt man sich doch gleich: Brauchen wir überhaupt neue Make-up-Produkte speziell für Männer? Wurde einfach nur eine neue Marktlücke gefunden und ist das alles nur kluges Marketing? Vielleicht nicht ganz, denn natürlich können Männer, die sich schminken wollen, auch einfach die für Frauen vermarkteten Produkte verwenden. Jedoch hat die oftmals etwas gröbere Männerhaut auch andere Ansprüche. Daher hat „Enter Pronoun" daran gearbeitet, Foundation und Concealer mit einer höheren Deckkraft zu entwickeln, die auch in der Lage ist, dunkle Bartstoppeln abzudecken. Damit bedient „Enter Pronoun" eine immer mehr gefragte Nische. Doch auch große Make-up-Marken wie MAC haben in der Vergangenheit immer wieder auch Männer mit ihren Kampagnen ansprechen wollen. Zwar wurden noch keine Produkte speziell für die Ansprüche männlicher Gesichtshaut entwickelt, jedoch haben bereits Männer wie Elton John, Ricky Martin, Dragqueen-Ikone Ru Paul oder der Eiskunstläufer Johnny Weir für die berühmte Anti-Aids-Werbekampagne VIVA GLAM vor der Kamera gestanden.
Männliche Beauty-Youtuber
Schon seit vielen Jahren lassen wir uns Make-up-Techniken am liebsten von Youtubern erklären. Nicht wenige haben es dadurch zu Berühmtheit geschafft. Unter den Beauty-Vloggern tummeln sich nicht nur Frauen, sondern auch eine wachsende Anzahl talentierter Männer mit beneidenswerten Make-up-Skills.
Dabei fällt auf: Besonders beliebt bei Männern scheint ein natürlicher Look zu sein. Die Haut soll makellos aussehen, Müdigkeitserscheinungen überdeckt werden und ein paar Bartstoppeln dürfen ruhig bleiben.
Besonders gefallen hat uns dieser 17-Jährige Brite, der wöchentlich neue Tutorials und Beauty-Hauls auf seinem Kanal postet.
James Charles wird das erste männliche „Covergirl"
Ein weiterer, erst 17-jähriger Youtuber sorgt derzeit für besonders viel Furore: James Charles, der sich bisher einen Namen mit seinen Make-up-Tutorials gemacht hat, wurde von der amerikanischen Beautymarke Covergirl für eine große Kampagne engagiert. In der 60-jährigen Firmengeschichte ist James damit das erste männliche „Covergirl" bzw. der erste Coverboy.
In der plattformübergreifenden Kampagne wird er an der Seite von Katy Perry verschiedene Make-up-Produkte bewerben, die bisher nur an Frauen vermarktet wurden. In seinem Instagram-Post schreibt James, dass er mit dieser Kampagne auch zeigen möchte, dass wirklich jeder Make-up tragen kann.
Wie gefällt Dir die neue Covergirl-Kampagne? Findest Du es begrüßenswert, dass hier mit traditionellen Geschlechterklischees gebrochen wird, oder bist Du der Meinung, dass Männer lieber ihre Finger von Mascara und Foundation lassen sollten? Auf den ersten Blick mögen geschminkte Männer vielleicht noch für Irritation sorgen, jedoch befinden sich Schönheitsvorstellungen und Geschlechterrollen im stetigen Wandel. Vor einigen Jahrzehnten galten auch Frauen, die Hosen trugen, noch als gesellschaftlich inakzeptabel. Also sollten wir uns vielleicht auch mehr für diesen Trend öffnen. Wer weiß, vielleicht erscheint uns diese Diskussion schon in einigen Jahren als überholt, wenn wir uns an die geschminkten Männer gewöhnt haben?
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