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Interview

Plus-Size-Model Charlotte Kuhrt: „Dicksein war schlimm für mich“

Charlotte Kuhrt

Der Begriff „Body Positivity“ schwirrt schon seit geraumer Zeit durch die sozialen Netzwerke. Und die Community rund um eine positivere Selbstwahrnehmung und ein realistisches Körperbild wächst weiter. Wir haben uns mit einer der bekanntesten Verfechterinnen getroffen: Plus-Size-Model Charlotte Kuhrt.

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Sie kämpft auf ihrem Instagram-Kanal @charlottekuhrt (ehemals „BeautyNotSize“) für mehr Selbstliebe und Akzeptanz für jeden Körpertyp. Uns gegenüber hat sie einige ehrliche Antworten rund um Selbstakzeptanz, Hasskommentare und Kritik gegenüber der Body-Positivity-Bewegung gegeben.

Charlotte Kuhrt
Curve-Model Charlotte Kuhrt setzt sich seit langer Zeit für mehr Selbstakzeptanz und -liebe ein.

desired: Charlotte, ob als sehr schlanke Frau oder mit deutlichen Kurven: Sobald man vom gängigen Schönheitsideal abweicht, bekommt man es mit fiesen Kommentaren zu tun. Was sind die schlimmsten Beleidigungen, die du dir anhören musstest?

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Charlotte Kuhrt: Ich bin in der glücklichen Position, gar nicht so viel Kritik zu bekommen. Ich habe eine sehr dankbare und gütige Community, wahrscheinlich auch, weil mein Anliegen jede Frau abholt. Ob eine schlanke Frau, die sich in meinen Worten wiederfindet oder auch eine dickere Frau.

Was mir aber tatsächlich nahe geht, sind Kommentare wie „Du bist so ungesund!“ oder „Weißt du eigentlich, wie ungesund Dicksein ist?“ Die Leute greifen so weit in deine Privatsphäre ein, das finde ich einfach schlimm – und dreist.

Wie ist denn das Verhältnis von netten Aussagen zu Hasskommentaren auf deinem Instagram-Kanal?

Ich würde sagen 95 zu 5 Prozent. Es kommt natürlich auch mal etwas Kritisches, aber dann meist auf konstruktive Art. Ich finde es toll, wenn Leute einen kritischen Dialog führen wollen oder ernstgemeinte Fragen stellen. Zum Großteil kommen aber wirklich nur nette Kommentare.

War das vor Instagram auch schon so, bevor du diese Community hattest?

Da ging ich ja selber noch kritischer mit dem Thema um. Dicksein war einfach schlimm für mich. Das ist ja auch der O-Ton der Gesellschaft: Bloß nicht dick sein, gleich die nächste Diät anfangen! Seit ich jedoch meinen Instagram-Account habe, stehe ich sehr öffentlich zu einer Meinung und dadurch traut sich glaube ich keiner mehr so richtig, etwas so Gemeines zu mir zu sagen. Aber ich habe auch das Gefühl, dass diese ganze Bewegung hin zu einem realeren Körperbild immer stärker wird und mehr Unterstützung erfährt.

Welcher Moment hat in dir die Wende ausgelöst, dass du dir dachtest: Sch*** auf Hater, sch*** auf Vorgaben der Beauty- und Modeindustrie, ich habe darauf keine Lust mehr?

Ich habe mal 20 Kilo weniger gewogen und zu der Zeit wirklich krass Diät gemacht sowie obsessiv Sport getrieben. Zu der Zeit haben mich Leute andauernd gefragt: „Und, wie viel willst du noch abnehmen? Du siehst super aus, aber noch so 10 Kilo?“, und ich dachte: „Ich esse doch jetzt schon nichts mehr, wie soll ich das schaffen?!“

Dann habe ich mal ein Bild von Ashley Graham gesehen, wie sie auf einem Fahrrad saß und man ihre Cellulite deutlich sehen konnte. Daraufhin habe ich zu mir gesagt: „Hey, ich finde das schön, dann darf ich mich doch im Gegenzug auch schön finden. Ich sehe genauso aus!“ Das war ein Schlüsselmoment für mich. Wenn ich solche Frauen schön finde, finde ich mich dann nicht eigentlich auch schön und lasse ich mir nur einreden, dass ich schlanker sein müsste?

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Obwohl Dellen, Dehnungsstreifen und Co. eigentlich normal sind – egal bei welcher Kleidergröße – schämen sich viele ja trotzdem dafür, sie öffentlich zu zeigen. Kostet es dich auch manchmal Überwindung, Bilder mit Cellulite zu posten, weil die in den meisten Köpfen leider immer noch als „Makel“ verankert ist?

In solchen Momenten hinterfrage ich mich selber: Warum denke ich gerade, dass es nicht okay wäre, so ein Bild zu posten? Und dann mache ich es einfach. Wenn das Licht mal auf einem Bild total blöd fällt und die Cellulite extrem aussieht, denk ich mir natürlich auch: „Oh nee, so sieht das doch eigentlich gar nicht aus!“ Aber dann bringe ich mich selbst zur Vernunft, weil ich weiß, dass das auf dem nächsten Bild schon wieder ganz anders aussieht.

Aber klar: Jede Frau hat mal Momente, wo sie sich einfach selbst nicht so toll findet. Und das ist ja auch okay.

Was hilft dir in solchen Zweifelmomenten?

Meine Community stärkt mich auf jeden Fall. Und das Wissen, dass ich so vielen Frauen damit helfe, wenn ich jetzt einfach mal eine Shorts anziehe, obwohl ich mich gerade nicht so wohlfühle. Dann sieht mich eine andere Frau auf der Straße und denkt sich vielleicht: „Oh, ich sehe auch so aus, vielleicht sollte ich morgen auch mal eine kurze Hose anziehen.“ Man hat so viel Macht, wenn man sich selber positiv gegenübersteht. Das ist eigentlich meine größte Motivation.

Das ist schön, du empowerst dich also selbst, indem du andere empowerst?

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Ganz genau!

Neben all der Befürworter und Unterstützer der Body-Positivity-Bewegung gibt es einige Leute, die das ganze Thema kritisch betrachten und für die eine plötzliche Selbstliebe unmöglich erscheint. Es ist schlichtweg zu gegensätzlich zu allem, was einem vorher durch die Medien und insbesondere durch Werbung suggeriert wurde: „Du musst schlank und fit sein, denn nur das ist schön.“ Ist es deshalb im Endeffekt nicht auch okay, seinen Körper nicht zu lieben?

Hier ist glaube ich erstmal wichtig zu hinterfragen, warum man sich selbst nicht liebt. Ist es nur dieses Konstrukt, was die Gesellschaft aufgebaut hat? Oder fühle ich mich gerade wirklich unwohl in meinem Körper? Dann wäre ich die Letzte, die sagt: Du MUSST dich lieben und darfst auf keinen Fall abnehmen. Man muss seine individuelle Balance und einen Lebensstil finden, mit dem man sich gut fühlt. Und wenn das heißt, ein bisschen abzunehmen, dann ist das auch okay.

Das finde ich tatsächlich schwierig an der Body-Positivity-Bewegung: Dass sie ein bisschen verbietet, auch mal selbstkritisch zu sein und zu hinterfragen, ob man sich gerade wirklich gut findet. Auf Teufel komm raus sich selbst zu lieben, das ist Quatsch.

Es gibt einen neuen Begriff, der gerade aufkommt: Body-Neutralität. Das Konzept finde ich total schön. Einfach mal zu sagen: „Es ist nur mein Körper.“ Dem Ganzen also die Wichtigkeit zu nehmen und zu akzeptieren, dass man seinen Körper mal weder besonders gut, noch besonders schrecklich findet.

Manche Leute prangern Body Positivity auch als Argument von Leuten an, die sich auf ihren Pfunden ausruhen wollen. Alles also nur ein Vorwand, ein bequemes Argument, um faul sein zu dürfen?

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Schwierig. Hier geht es ja wieder um ein persönliches Empfinden. Was geht es die anderen an? Wenn ich mich in meinem Körper wohlfühle, bin ich ein ausgeglichener Mensch. Man tut doch niemandem etwas Böses, warum muss einen jemand angreifen und sagen, dass man faul sei? Übertragen solche Leute damit nicht einfach ihre eigene Unzufriedenheit auf andere? Es ist ja immer einfacher, andere zu beleidigen und ihnen ein schlechtes Gefühl in ihrem Körper zu geben.

Aber dass dickere Leute vielleicht schon einen langen Prozess durchgemacht haben, in der Schule möglicherweise gemobbt wurden oder, wie ich, schon mal eine Essstörung hatten, das verstehen viele nicht. Man sollte mit Vorwürfen also aufpassen, schließlich kennt man nie die ganze Geschichte.

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Charlotte Kuhrt desired Interview
Body Positivity wird leider oft falsch verstanden, dabei geht es um so viel mehr als Platitüden, erklärt Charlotte.

Zusammengefasst: Was dürfen Leute an Body Positivity nicht falsch verstehen?

Es hat nichts damit zu tun, faul zu sein und sich gehen zu lassen. Und kein „Fat Acceptance“-Sprecher würde jemals sagen: Werdet jetzt alle dick! Esst nur noch Chips und macht gar nichts mehr! Genau darum geht es eben nicht.

Was all die Leute sagen wollen, die sich für Body Positivity einsetzen, ist im Endeffekt: „Akzeptiere dich, so wie du bist.“ Es ist eine Bewegung für jeden, der mal schlimme Erlebnisse wegen einer verzerrten Körperwahrnehmung hatte. Das nur oberflächlich zu sehen und zu denken, hier wird bloß das Dicksein angepriesen, ist falsch. Es geht um so viel mehr als das.

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Danke für das spannende Interview, Charlotte!

Hattest du schon ähnliche Erlebnisse wie sie? Wie hast du du deinen Weg zur Selbstliebe gefunden und was hältst du vom Konzept der Body-Neutralität? Verrate es und gern in den Kommentaren hier oder auf Facebook. Wir sind gespannt auf deine Meinung!

Bildquelle: Charlotte Kuhrt